07. Feb 2024
Radolfzeller Klinikum diente als Kulisse für Übung/ 250 Beteiligte
(Radolfzell). Im leerstehenden ehemaligen Radolfzeller Klinikum fand am Samstag, 3. Februar 2024, erstmalig eine große Katastrophenschutzübung mit rund 250 Beteiligten unter dem Titel RadEx (Radolfzell-Exercise) statt. Sie stand unter der Leitung der Unteren Katastrophenschutzbehörde, Philipp Karrer vom Deutschen Roten Kreuz, und von Dr. Michael Bentele, Leitender Notarzt im Landkreis Konstanz. Er ist zugleich Leitender Oberarzt des Instituts für AINS am Klinikum Singen.
An der Übung, die von 7.00 bis ca. 13.00 Uhr dauerte, waren alle Blaulichtorganisationen des Landkreises Konstanz mit zwei Einsatzeinheiten sowie eine Einsatzeinheit des Landkreises Tuttlingen beteiligt. Inhalt der Übung war die Zusammenarbeit zwischen Klinik und Einheiten von Rettungsdienst und Katastrophenschutz an der Schnittstelle zwischen Krankenhaus Alarm- und Einsatzplanung und der Vorbereitung auf Großschadensereignisse seitens des Landkreises.
Die Übung basierte auf der Annahme, dass tags zuvor im Laufe des Freitagnachmittags bei Kanalarbeiten im Bereich der Hausherrenstraße/Kneippstraße durch einen Löffelbagger eine zentrale, zum Krankenhaus („RadEx Klinikum“) führende elektrische Leitung beschädigt wurde. In der Folge war die Telefonanlage des Klinikums ausgefallen und die Aufzugsanlage konnte nicht mehr genutzt werden. Im Rahmen der Reparaturmaßnahmen in den Morgenstunden des 3. Februar 2024 wurde im Baggerloch eine stark beschädigte Fliegerbombe aus dem 2. Weltkrieg entdeckt. Der Löffelbagger hatte diese am Vortag freigelegt und beschädigt.
Der Kampfmittelräumdienst identifizierte die Bombe als amerikanische Fliegerbombe mit Verzögerungszünder und einem Gewicht von 1000 Kilogramm. Nach ersten Untersuchungen durch die Fachkräfte des Kampfmittelräumdienstes war der Zünder der Bombe derart gestaucht, dass eine Entschärfung vor Ort sowie ein Transport der noch scharfen Bombe nicht möglich waren.
Nach einer Lagebesprechung mit Vertretern des Kampfmittelräumdienstes, der Polizei, der Stadt Radolfzell, der Klinikleitung und der Feuerwehr wurde festgelegt, dass die Bombe zeitnah vor Ort gesprengt werden musste, um einer unkalkulierbaren Selbstdetonation zuvorzukommen. Dies erforderte eine zügige Evakuierung des Klinikums und der Patienten. Darunter waren sechs beatmete Intensivpatienten und rund 30 Patienten der Allgemeinstation vom Kind bis zum Senior, von leicht bis schwerer verletzt/erkrankt.
Ein besonderes Augenmerk der Übung lag in der Weiterversorgung der evakuierten Patienten – etwas was in dieser Größenordnung so noch nie geübt wurde. Deswegen war auch das Interesse der Blaulichtorganisationen an der Übung groß – neben dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) samt Suchdienst und dem Malteser Hilfsdienst (MHD) nahmen die Johanniter Unfallhilfe (JUH) und der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) sowie das Technische Hilfswerk (THW), die Notfallseelsorge und Mitarbeitende des Klinikums Singen teil. Die Einsatzleitung wurde durch Mitglieder der Leitenden Notarztgruppe (Dr. Steckkönig, Dr. Lodemann und Dr. Kaufmann), der Gruppe der Organisatorischen Leiter Rettungsdienst (Hr. Mayer, Hr. Merk) und der Intensivstation des HBK Singen (Fr. Meßmer) übernommen.
Die Intensivpatienten wurden fiktiv in Kliniken in einem Umkreis von 200 Kilometern verlegt (real in die Zentrale Notaufnahme des HBK Singen transportiert), die restlichen Patienten wurden in einem Behandlungsplatz (BHP) in der Mettnau-Halle versorgt bis sie weiter verlegt werden konnten.
Während eine Einsatzeinheit mit der Evakuierung beschäftigt war, hatten zwei Einsatzeinheiten aus dem Landkreis Tuttlingen und dem Landkreis Konstanz in der Mettnau-Halle einen sogenannten Behandlungsplatz 25 (BHP25) aufgebaut. BHP25 bedeutet: die Behandlungskapazität reichte aus, um hier 25 Patienten pro Stunde versorgen zu können, die dann im Anschluss in Kliniken des Umlands verlegt wurden. Solche Behandlungsplätze werden z.B. bei sportlichen oder kulturellen Großereignissen aufgebaut. Bei der RadEx-Übung wurde dieses Element zum ersten Mal im Klinikzusammenhang geprobt. Ein innovativer Ansatz also - „Wir beüben etwas, was nach unserem Kenntnisstand so noch nicht beübt wurde“, erklärte Dr. Bentele im Pressegespräch gegen Ende der Übung.
Nach einer Sichtung der Patienten am Eingang der Mettnau-Halle waren die Patienten in der Halle adäquat weiter versorgt worden – je nach Schwere ihrer Erkrankung und je nach Bedürfnissen der kleinen bis alten Patienten. Eine Personenauskunftsstelle war ebenfalls eingerichtet worden – für Angehörige, die sich nach ihren Kranken erkundigen wollten.
Der Fokus der RadEx-Übung lag auf Bereichen, die sonst weniger zum Üben kommen. Lernen durch Üben und Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Bereiche/Themen verbessert werden müssen, das ist Sinn und Zweck der Übung, so Dr. Bentele. Er erhofft sich nicht zuletzt durch die Rückmeldungen der rund 20 Übungsbeobachter aus ganz Süddeutschland von Tübingen über Titisee-Neustadt, Tuttlingen, Singen, dem Allgäu sowie aus Kanada viele Hinweise, um die Abläufe und die Zusammenarbeit zukünftig zu optimieren - damit es im Ernstfall zügig und reibungslos klappt. In der Folge wird es eine umfassende Aufarbeitung des Tages geben, die Ergebnisse sollen in das Notfallkonzept des GLKN sowie des Landkreises Konstanz einfließen.
Dr. Michael Bentele, Philipp Karrer (Katastrophenschutzbeauftragter des DRK im Landkreis Konstanz) und Thomas Irmer von der Unteren Katastrophenschutzbehörde beim Landratsamt Konstanz zeigten sich im Rahmen eines Pressegesprächs mit der Übung zufrieden. RadEx habe aufgezeigt wie wichtig und sinnvoll die Übungsannahme gewesen war. Eine erste Erkenntnis: Im Bereich der Kommunikation zwischen den Führungsebenen und den Helfern gebe es noch Verbesserungsbedarf.
Bilder: Jasmin Schreiber (GLKN), Lisa Heinrichs (GLKN), Sven Lederle (Luftbild, JUH Singen), Nicole Peter (DRK Reichenau), Dr. Barbara Bahr (Tuttlingen), Dr. Robert Wunderlich (UK Tübingen), Dr. Michael Bentele (GLKN), Andrea Jagode (GLKN).