Lean Hospital ist eine Denkweise und Haltung. Diese basieren auf zwei Grundprinzipien: Respekt für den Einzelnen und dem Streben nach kontinuierlicher Verbesserung. Respekt für den Einzelnen bedeutet Respekt vor der Situation der Patienten und deren Angehörigen und natürlich den Mitarbeitenden. Das bedeutet beispielsweise, dass in einer Lean Transformation alle Beteiligten miteinbezogen werden und alle Teammitglieder den Mut haben sich einzubringen. Nur so ist es möglich das zweite Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung zu leben. Kontinuierliche Verbesserung bedeutet, sich nicht mit dem Status Quo zufrieden zu geben und Dinge kritisch zu hinterfragen. «Wir haben das immer schon so gemacht», reicht nicht als Begründung. Das tägliche Streben noch besser zu werden, ist ein Merkmal eines Teams, das mit Lean arbeitet. Die Kreativität und Erfahrung von allen werden genutzt, um Abläufe und die Zusammenarbeit zu verbessern.
Die Resultate von Lean Transformationen sind beeindruckend. Befragungen vor- und nachher zeigen, dass die Abstimmung innerhalb und zwischen Berufsgruppen besser wird. Es gibt weniger Störungen und Unterbrechungen im Alltag. Die Patienten sind zufriedener. Die Mitarbeitenden ebenfalls. Sie haben mehr Zeit zur Verfügung für das, worauf es ankommt: die Versorgung der Patienten. Ganz einfach gesagt, geht es bei Lean darum, unnötige Dinge (Beispielsweise Rücksprachen, Doppelarbeit, Laufwege, Fehler) zu vermeiden und die Komplexität von Abläufen zu verringern. Auf täglicher Basis arbeiten alle Beteiligten darauf hin, mögliche Komplikationen in Arbeitsabläufen und patientenbezogene Risiken zu erkennen, bevor sie tatsächlich zum Problem werden.
Um das zu erreichen und optimale Strukturen und Prozesse zu schaffen, braucht es Innovation und Durchhaltewillen. Lean bietet dafür ein Set an Methoden und Instrumenten. Entscheidend ist dabei, dass diese flexibel angewandt und an den jeweiligen Kontext einer Station oder eines Teams angepasst werden. Den Rahmen geben Lean Taktiken wie zum Beispiel die «Soforterledigung» vor. Das bedeutet, dass Prozesse so gestaltet werden, dass eine Aufgabe nach der anderen erledigt werden kann. Das ist nicht nur deutlich effizienter, es passieren auch weniger Fehler.
Auf einer Lean Bettenstation sind beispielsweise die Tagesabläufe von Ärzt:innen und Pflegenden optimal aufeinander abgestimmt. Zu Schichtbeginn gibt es einen kurzen, interprofessionellen Austausch (Huddle). Hier werden die Prioritäten und Zuständigkeiten für den Tag geklärt. Die gemeinsame Visite am Patientenbett startet pünktlich. Alle Teilnehmenden sind vorbereitet. Der Ablauf folgt dem gemeinsam definierten Schema. Die Patienten sind durch eine Patiententafel im Zimmer bestens informiert. Bevor die Schicht zu Ende ist, treffen sich Ärzte und Pflegende nochmals zur Reflexion des Tages und zur Planung der folgenden Tage. Die Abläufe sind verbindlich und dem ganzen Team bekannt. Neue Mitarbeitende finden sich dank dem schnell ein und integrieren sich in das Team.
Die geheime Zutat einer Lean Transformation ist der Einbezug aller Beteiligten und das gemeinsame, interprofessionelle Erarbeiten von Lösungen. Nur so werden wirksame und nachhaltige Lösungen entwickelt.
Autor: Raphael Roth
„Der Arbeitsaufwand ist
gut investiert“ (Bericht aus der Mitarbeiterzeitung MAZ)
Im „Lean Hospital“ steht der Patient im Mittelpunkt alles Tun und Denken. Arbeitsprozesse sollen patientenorientierter werden. Das führt zu Verbesserungen und mehr Sicherheit für den Patienten. Doch das „Lean Management“ soll nicht nur die Patienten zufriedener machen, auch die Klinikmitarbeiter, allen voran die Pflegekräfte und Ärzte, sollen von den Veränderungen profitieren. Denn Prozesse werden schlanker, Laufwege kürzer und der Stresspegel für alle sinkt. Vernetzung, Transparenz und Nachhaltigkeit sind dabei der Schlüssel zum Erfolg. Soweit die Theorie, aber stimmt das auch in der Praxis?
Im Klinikum Konstanz hatten sich im Jahr 2018 im ersten
Lean-Projekt die Stationen Diedamskopf und Glärnisch auf den Weg gemacht, um
das Lean-Management einzuführen. Startschuss für das Projektteam war im März,
der Go-Live (=Start des Betriebs) fand im Juli 2018 statt. Im zweiten Projekt
erarbeitete ein Team von Juni bis Oktober 2019 ein Lean-Konzept für die Stationen
Ebenalp und Churfirsten. Der Go-Live fand Mitte Oktober 2019 statt. Betreut wurden die Projekte in ihren Anfangszeiten von
der schweizerischen Firma Walkerproject, einem Beratungsunternehmen, das sich
auf Transformationsprozesse im Gesundheitswesen spezialisiert hat.
Die MAZ-Redaktion sprach mit einigen Beschäftigten, die
in den kleinen interdisziplinären, mit Vertretern aus der Pflege, Ärzteschaft
und Verwaltung besetzten Projektteams dabei waren, die sich unter Moderation
von Walkerproject jeweils regelmäßig in bis zu zehn Workshops getroffen hatten,
um ein Lean Management für ihre Station zu erarbeiten.
Das Fazit der Befragten:
„Es lohnt sich, der Arbeitsaufwand ist gut investiert“.
Die Projektteams sind bestehen geblieben, ihre Aufgabe
ist es nun, das System weiter zu entwickeln.
Maria Paccione, stellvertretende Stationsleitung und Praxisanleitung der Station Ebenalp (heute Caremanagerin), hat gerne im Projektteam mitgearbeitet, sie findet: Lean Management habe geholfen Arbeitsabläufe effizienter und strukturierter zu machen. Sie stellen mehr den Patienten in den Mittelpunkt. Sie macht das am Beispiel der Übergabe fest. Früher habe man die Übergabe morgens und abends im Stationszimmer gemacht und dort die Patienten besprochen. Heute findet dies am Krankenbett statt. Es gibt zu jedem Patienten ein individuelles Patientenboard im Krankenzimmer, hier sind die wichtigsten Informationen zum Patienten zusammen gefasst. Das Board ist die gemeinsame Austauschplattform zwischen Patient, Pflege und Ärzteschaft. Bei der Übergabe am Bett wird der Patient mit einbezogen. Nicht jeder Pflegekraft fällt es leicht, vor dem Patienten offen zu reden – je nach Diagnose. Der Patient aber empfinde das Vorgehen positiv, weil er weiß, was über ihn gesprochen wird. Die Patientenrückmeldungen zum Board sind durchgehend positiv.
Neu im Tagesablauf sind die Kurztreffen des gesamten Stationsteams am Morgen zum Start in den Arbeitstag. Früh um 7.50 Uhr gibt es von Montag bis Freitag eine sieben minütige Besprechung, „Huddle“ genannt (= Köpfe zusammen stecken). Dabei wird alles besprochen, was für den Tag wichtig ist: Wie ist die Belegung? Zugänge und Abgänge? Gibt es elektive Patienten? Wie hoch ist der Pflegeaufwand? Wer ist von pflegerischer und ärztlicher Seite zuständig und gibt es Besonderheiten? Der Huddle ermöglicht, dass alle Beteiligten den gleichen Sachstand haben. Das Huddleboard unterstützt den Informationsausstausch visuell. Von 14.45 bis 15.00 gibt es außerdem werktags den sogenannten „Entlass-Huddle“. Weil Kommunikation häufig der Knackpunkt im Alltag ist, sollen hier die Huddles Abhilfe schaffen und Verbesserung bringen.
Birgit
Trenkelbach,
Pflegefachkraft auf der Station Churfirsten, empfindet vor allem den
Morgen-Huddle als sehr hilfreich. Außerdem ist für sie der mobile
Pflegewagen bei ihren Rundgängen ein „echter Gewinn“. Auf diesem befindet
sich alles, was es an Material und Medikamente braucht. Damit entfallen
unnötige Wege, weil das benötige Pflegematerial stets auf dem Pflegewagen dabei
ist. Den mobilen Pflegewagen bezeichnen alle Befragten als „einer der größten
Gewinne“.
Damit die guten Ansätze auch beibehalten werden, sei eine stetige
Kontrolle durch das Projektteam erforderlich, erklärt Gundula Morina,
Pflegekraft, Praxisanleiterin und Stationsleitung der Station Glärnisch. Auch Maria
Paccione erklärt, dass sie immer dahinter her ist, dass die neuen Elemente
eingehalten werden; denn richtig angewendet, kann so Stress reduziert werden
und die Patientenrückmeldungen seien durchweg positiv. Doch die Gefahr bestehe
immer darin, in den alten Trott zu verfallen. Damit dies nicht passiert,
treffen sich einmal pro Woche alle nach dem Frühdienst zum viertelstündlichen
Austausch, die Teilnahme ist verpflichtend. Dabei wird der Ist-Zustand der jeweiligen
Station an den Lean-Standards gemessen und bei Bedarf nach Lösungen gesucht.
Einmal im halben Jahr wird dies ausführlicher getan – in den sogenannten Gembas.
Was schwierig klingt, ist eigentlich ganz einfach: Augen und Ohren offen
halten, Probleme beobachten, ansprechen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Lean
Management ist ein stetiger Weg zur Verbesserung.
Ein weiteres Element auf dem Weg der Verbesserung sind die sogenannten „Flow“.
Das sind kurze stehende Meetings von maximal zwei Minuten, die mehrmals täglich
zu definierten Zeiten vor dem sogenannten Flow-Board stattfinden. Zwei
Pflegende treffen sich dort, um die nächsten Schritte zu planen und die
anstehenden Aufgaben zu verteilen. Also: Inne halten, die nächsten Schritte
überlegen und diese visualisieren in einem „öffentlichen Notizzettel“
(Flow-Board). Das soll die Arbeitsbelastung innerhalb der Pflege ausgleichen.
Vor allem die Auszubildenden schätzen diesen Kurzaustausch. Die Idee sei gut,
aber bei Personalmangel kaum leistbar, findet Pflegefachkraft Rudolf Walser
von der Station Diedamskopf. Sein Fazit fällt gemischt aus: Lean Management
stehe und falle mit der Personalbesetzung. Er empfindet auch die doppelte
Dokumentation im Stationszimmer und am Board als aufwändig.
Insgesamt empfinden alle vier Befragten das Lean Management als eine
Verbesserung. Im Zuge des Lean Managements seien die Absprachen zwischen
Pflegekräften und Ärzten besser geworden. Aber noch arbeite man nicht auf
Augenhöhe, da gelte es als Pflegekraft selbstbewusster aufzutreten. Abhängig
sei der Erfolg auch von der eigenen Motivation und davon, ob es gelinge, alle
im Team mitzunehmen. Dies sei der Schlüssel zum Erfolg. Wenn alle mit anpacken
kann Lean Management gelingen und für alle zum Erfolg werden – das beweisen die
bisherigen Erfahrungen!
Im GLKN hat der Lean-Zug Fahrt aufgenommen. Am 16. Juni 2020 startete das Lean Projekt am Klinikum Konstanz in den Abteilungen Orthopädie und Unfallchirurgie. Im Jahr 2021 wurde das Lean Projekt auf der Intensiv-Station eingeführt.
Autorin: Andrea Jagode, Unternehmenskommunikation